Sonntag, 13. Juni 2010

Ds verstehe ich nicht

Im Jahr 1907 reichte Einstein seine zwei Jahre zuvor geschriebene Arbeit über die Spezielle Relativitätstheorie, die den Titel "Elektrodynamik bewegter Körper" trug, an der Universtät Bern als Habilitationsschrift ein. Das Habilitationsgesuch wurde aber abgelehnt und einer der Ordinarien gab Einstein die Arbeit mit den Worten zurück: "Was Sie da geschrieben haben, verstehe ich überhaupt nicht."
[Gottfried Heindl, Mchael Higatsberger: Dem Ingenieur ist nichts zu schwer]
Ich möchte mich nur mit Menschen unterhalten, die den Witz in dieser Anekdote erkennen."

Freitag, 11. Juni 2010

Schlechter Journalismus

Alles, was Sie schon immer über ... wissen wollten
[unzählige Autoren: Schlagzeile]

In einer Zeit, in der Sex zum "Natürlichen" gehört, finden sich an den Kiosken jede Menge Magazine, deren Abbildung auf der Titelseite früher bereits als Pornografie empfunden worden wäre.

Viel pornografischer hingegen sind Titelzeilen wie die oben genannte. Sie frisst sich ins Gehirn und verspricht mit einer Lüge Lösungen.

Ich verspüre keine Aggression, wenn ich Brüste oder Muschis sehe, doch ich könnte die Autoren solcher Schlagzeilen erwürgen.
Und ich kann nur mitleidig lächeln, wenn ich zum wiederholten Male höre, dass die Welt so kompliziert geworden ist. Damit wird die Wissenschaft inkludiert. Und daher ist der Blick über den Tellerrand nicht mehr möglich.

Ja früher! Ach, früher, da war das alles leichter...

Das ist die Lebenslüge des 21. Jahrhunderts.

An Pía Doré

Es gibt schöne junge Geschöpfe, die man natürlich sogleich haben, genießen möchte! Die Zärtlichkeit kommt von unten und bleibt unten. Aber es gibt solche, für die man sogleich die besorgte und übertriebene Zärtlichkeit einer Mama für ihr zartes Baby empfindet! Die Zärtlichkeit ist eben sogleich hinauf gestiegen, ins Herz, und noch höher hinauf, ins Gehirn! Dorthin, wo das "Göttliche" wohnt, das Unzerstörbare!
Nenne es "Impotenz", mich kannst du nicht schrecken! Ja, man zieht den Genuss von tausend Stunden dem Genuss einer Stunde vor!
Als Pía Doré das gedruckt gelesen hatte, sagte sie: "Also wirklich, Sie möchten mich auch gar nicht ein ganz klein bisschen 'haben'?!"
[Peter Altenberg: Fechsung]

In Management-Schulungen heißt das: "Lernen Sie Ihre Zuhörerschaft kennen!" oder "Know your audience!"

Donnerstag, 10. Juni 2010

Langeweile

Es ist für mich nahezu unvorstellbar, das Gefühl von Langeweile nachempfinden zu können.
Als ich einmal eine Frau fragte, die einen mir extrem eintönig erscheinenden Fließarbeitsjob durchführte, fragte ich sie, ob sie sich dabei nicht endlos langweile.
Die Arbeit ist wunderbar, erwiderte sie, den ganzen Tag kann ich träumen.

Mittwoch, 9. Juni 2010

Wahrheit und Wahrscheinlichkeit

In der Naturforschung sind Wahrscheinlichkeit und Wahrheit oft durch nichts mehr getrennt als durch zwei oder drei zusätzliche Experimente mit halbwegs gleichem Resultat. ich denke, daß man bei gründlicher Durchsicht häufig finden wird, daß die Naturwissenschaften viel reicher an Wahrscheinlichkeiten und Plausibilitäten sind als an Wahrheiten. Am Begriff der Wahrheit gemessen sind die meisten Wissenschaften jetzt viel zu kompliziert geworden, denn der Wahrspruch simplex sigillum veri, Einfachheit sei das siegel der Wahrheit, ist nicht außer Kraft gesetzt.
[Erwin Chargaff: Abscheu vor der Weltgeschichte]

Und da soll noch einer sagen, dass sich die Menschen durch Kreativität auszeichnen. Ist es nicht vielmehr so, dass sich die höchste Kreativität damit abgeben muss, unsere Beschränktheit zu konstatieren?

Dienstag, 8. Juni 2010

Wahrheit

Ab una prima veritate multae veritates in mentibus hominum resultant, sicut ab una facie hominis resultant multae facies in speculo fracto.*
[Thomas von Aquin: Quaestiones quodlibetales]

* Aus der einen (Ur)wahrheit ergeben sich im Geiste der Menschen viele Wahrheiten, wie das eine menschliche Gesicht in einem zerbrochenen Spiegel viele Gesichter ergibt.


Was sagt uns das heute über die Wissenschaft?

Samstag, 22. Mai 2010

der alte Mann

Ein Bild, Öl glaube ich zu erinnern, im Format von ungefähr 120 * 80 cm ist an der Türfüllung befestigt. In der Türfüllung sind auch noch andere kleine Bilder angebracht, vom eigentlichen Holz der Füllung sieht man nichts. Es gibt einen Riegel, der geöffnet werden kann. Dann lässt sich die Türfüllung ausschwenken und gibt den Blick auf eine dahinter liegende Türfüllung preis. Fast alle Türen des Kellergeschosses sind so mit zwei bis drei Türfüllungen armiert. Nicht nur die Wände, auch die Decken sind vollständig von Bildern verdeckt.
Wenn man ungefähr drei Meter vor dem Bild steht, sieht man den Kopf eines alten Mannes. Er ist alt, macht aber noch einen geistig präsenten Eindruck. Der Kopf ist von abgerundeter Würfelform, wie man sie manchmal bei Musikern findet. Es könnte ein Portrait sein, was der Mann selbst in Auftrag gegeben hat und das daher einen gefälligen Eindruck macht.
Der Kopf erscheint vor einem dunklen gemaserten Hintergrund. Tritt man näher, löst sich die Maserung allerdings in eine punktförmige Struktur auf. Kommt man noch näher, erweisen sich die Punkte als minutiös ausgeführte Totenschädel. Es müssen hunderte sein.
Der Blick des Mannes ist zwingend.
An dem Bild blieb ich lange stehen, musste mich aber dann doch weiter führen lassen. Eine Kunstführung, die von 19:00 abends bis 3_00 früh dauerte.
Der Künstler war einer aus Gugging bei Klosterneuburg. Der Ort war die ul Dabrowiecka 28. Dort befand sich ein kleines Haus, das 6000 (wie sich aus dem vorigen Eintrag ablesen lässt) Kunstwerke beherbergte.
Das war einer der Eindrücke meines Lebens, die mich nie mehr verließen.

Lenin, zur Madonna betend

Wie der erste WELT-Korrespondent in Warschau die größte Kollektion polnischer Volkskunst zusammentrug

Es gibt Irrfahrten, die währen so lange, dass niemand mehr an ein gutes Ende glaubt. Ein solcher Fall hatte sich über die letzten 22 Jahre in Warschau abgespielt; jetzt ist ein gutes Ende in Sicht. Die größte Sammlung polnischer Volkskunst, zumindest ein wertvoller Teil davon, ist vor Anker gegangen: im Hafen des Ethnografischen Museums in Warschau. Fast 1000 Stücke haben jetzt, wenn auch zunächst mit dem Rechtsstatus eines Depositums, ein Dach über dem Kopf. Eine der 50 Kisten, welche die Fracht beinhalten, wurde öffentlichkeitswirksam in Blitzlichtgewitter und vor allerhand Prominenz aufgebrochen. Als "eine Art Flaschenpost" hatte der Stifter der Sammlung, Ludwig Zimmerer, die Volkskunst begriffen, für die er sich fast drei Jahrzehnte lang begeistert hatte. In den Kunstwerken - überwiegend Holzfiguren, aber auch Gemälde und Wandteppiche - vermochte er Botschaften zu lesen, die den auf "hohe" Kunst fixierten Zeitgenossen verborgen bleiben mussten.
Warum baute ein Deutscher ausgerechnet im schwer kriegsversehrten Warschau eine Kunstsammlung auf? Der Augsburger Abiturient Ludwig Zimmerer, Jahrgang 1924, war gegen Kriegsende eingezogen worden. In Frankreich und als Kriegsgefangener hatte er erlebt, wohin nationalistischer Wahn führen kann. Nach dem Krieg war er in linkskatholischen Kreisen aktiv; die geistige Erneuerung Deutschlands und die Versöhnung von Gott und Marx hatte er sich auf die Fahne geschrieben. Der Journalist Zimmerer war jedoch bettelarm. 1956 ging er nach Polen, wo die Entstalinisierung gerade ihrem dramatischen Höhepunkt entgegentrieb. Jetzt wurde er gebraucht und entlohnt: Nachdem auch der damalige Chefredakteur der WELT, Hans Zehrer, Warschau besucht hatte, wurde Zimmerer fast über Nacht zu ihrem Polen-Korrespondenten.
Damit war er der erste bundesdeutsche, vielleicht gar der erste westliche Korrespondent im Land. Schnell hatte ihn die polnische Staatssicherheit im Visier. Sie notierte, Zimmerer vermittle "irgendwelche polnischen Schriftsteller, u.a. Mrozek", an einen deutschen Verleger. Gut gespitzelt: Zimmerer stellte nicht nur Kontakte her, er sollte auch Erzählungen und Dramen des später weltberühmten Slawomir Mrozek übersetzen. Bald fragte sich die Staatssicherheit: Will er Joanna Olczak aus Krakau heiraten?

Auch hier waren die staatlichen Schnüffler auf einer heißen Spur. Der Bayerische Linkskatholik und die angehende Schriftstellerin aus einer angesehenen polnisch-jüdischen Verlegerfamilie wurden ein Paar - auch wenn Joannas Verwandtschaft sich gegen die Eheschließung der jungen Holocaust-Überlebenden mit einem Deutschen heftig sträubte. Joanna Olczak-Ronikier hat ihren Mann in die Krakauer Künstlerkreise eingeführt, in denen damals Roman Polanski und Krzysztof Penderecki verkehrten. Vier Jahrzehnte später sollte die Autorin mit ihrer wunderbaren Familiensaga "Im Garten der Erinnerung" (deutsch bei Aufbau) einen internationalen Erfolg erzielen.

Was jedoch Zimmerer nach Polen geführt hatte und in welche Schublade er gehörte, darüber zerbrachen sich die polnischen "Organe" lange den Kopf. Ein IM der polnischen Stasi hielt fest, der Deutsche sei "Polen gegenüber wohlgesonnen, kein Kommunist, aber ein fortschrittlicher, radikalisierender Katholik; DDR-Bürger mag er nicht."

Es war klar, dass Zimmerer mit seiner Redaktion politisch überkreuz lag, zumal als Kritiker der Vertriebenenverbände. Nach dem Aufbieten aller Künste der Verwanzung, Beschattung und Überwachung des Briefverkehrs kamen die Organe in Warschau zum Schluss, der Bayer sei ein ehrlicher Mann und offenbar kein bundesdeutscher Agent. Darauf wurde eine Zeit lang erwogen, ihn für die polnischen Dienste als Agenten zu gewinnen. All das ist heute in seinem Dossier in der polnischen Stasi-Aktenbehörde IPN nachzulesen.

Doch Zimmerer, später auch NDR- und WDR-Korrespondent, war der ideale Vermittler; er kannte jeden in Warschau und in Krakau. Die ersten Texte seines Bekannten Marceli Ranicki (später Marcel Reich-Ranicki) für die WELT, noch in Polen geschrieben, gingen durch seine Hände. In sein offenes Haus mit allwöchentlichen Abendgesellschaften strömten Kontakt suchende Persönlichkeiten. (Eine bundesdeutsche Botschaft gab es noch nicht.) Deutsche Außenpolitiker sondierten in Zimmerers "Salon" zu Zeiten des Kalten Krieges das Terrain, Walter Scheel, Willy Brandt und Helmut Schmidt waren darunter. Die Gäste aus Deutschland trafen im Haus Nummer 28 in der ruhigen Dabrowiecka-Straße in ungezwungener Atmosphäre auf polnische Gesprächspartner. Natürlich lernten sie auch die Sammlerleidenschaft des Gastgebers kennen.

Diese Sucht hielt Zimmerer etwa seit 1960 im Griff. Damals hatte er eine erste Plastik eines Laienkünstlers aus der polnischen Provinz erstanden: "Letzte Umarmung zum Abschied" zeigt einen jüdischen Vater, der seine Tochter - vor der Trennung durch den Holocaust - mit schützender Geste umarmt. Die Beschäftigung mit ihren Werken jenseits von Modeströmungen und Kunstmarktwert betrachtete er als Ausgleich zum harten journalistischen Broterwerb. Und da er vor Ort nie genug Zeit habe, sei es am einfachsten, die Kunstwerke mitzunehmen, erzählte er später. Manchen Künstlern hat Zimmerer mit Rat und Tat zur Seite gestanden und konnte so über viele seiner Stücke Geschichten erzählen: Etwa über die Holzfigur "Susanna im Bade", die dem Künstler den Verdacht seiner Frau eintrug, er habe sich da ein Lustobjekt geschaffen. Woraufhin er letzte Hand anlegte und der Susanna den Unterleib absägte. Oder über die Plastik "Lenin, zur Muttergottes betend", die ein (naiver oder schlitzohriger) Bildhauer als "geeignete Würdigung" zu einem runden Lenin-Jubiläum präsentierte. Doch öfter als diese waren in seiner Sammlung die klassischen Motive religiöser Kunst zu sehen, etwa "Christus im Elend". Polen ist der Christus der Nationen.

Die Achtzigerjahre waren für Zimmerer eine Zeit schwerer Krankheit, während sich Marion Gräfin Dönhoff und weitere Persönlichkeiten für die Bewahrung der Sammlung einsetzten und Andrzej Wajda einen Dokumentarfilm über sie drehte. Als Zimmerer 1987 starb, begann ein Erbschaftsstreit. Es ist dem Einschreiten des Gerichtsvollziehers und der Denkmalpflege zu verdanken, dass die tausend Stücke jetzt ins Museum kamen, darunter Gemälde des naiven Malers Nikifor und des Surrealisten Zdzislaw Beksinski, die heute hoch gehandelt werden. Doch weitere 5000 Stücke sind immer noch im Besitz der dritten Ehefrau Zimmerers; ihre Zukunft ist ungewiss.


[Dieser Text ist aus Welt-Online zitiert bzw. kopiert. Der Artikel wurde am 6. August 2009 von Gerhard Gnauck verfasst. Es ist wahnsinnig schwer, überhaupt Referenzen zu dieser Sammlung im Internet zu sehen. Neben den rein polnischen Volkskunstwerken befanden sich in der Sammlung Werke österreichischer Künstler aus Gugging, die eine seltsame und extrem starke Ausstrahlungskraft hatten. Die dritte Frau Zimmerers, Karin, erklärte uns die Herkunft und die Hintergründe einiger Werke. Im Internet fand ich allerdings keinen Hinweis auf die unzähligen Holzschnitzarbeiten "Lenin, zur Madonna betend", die anlässlich eines polnischen Volkskunstwettbewerbes einmal eingereicht wurden.]

Dienstag, 29. Dezember 2009

Athos

Erich Fromm
Diogenes
Konas
Da wird noch mehr folgen.
Für Wiener: Freiraum

Montag, 28. Dezember 2009

Das Kleingedruckte

In der Dämmerung wachsen die Schatten zusammen. Differenzierte Gefühle verschmelzen zu einem lauwarmen Gefühl der Lebenserfahrung.
Im Gespräch mit Freunden destillieren sich auf Stichwortzuruf ganze Geschichten voll Klarheit und Handlung, welche nur an einem kleinen Grashalm des Gedächtnisses hängen.
Erschaut man eine Wiese, mag man sich am frischen Grün oder an der Üppigkeit des Lebensausdrucks erfreuen. Schwierig wird es allerdings sein, den eine Blume zu finden, an der zuletzt noch eine satte Hummel brummte.
Ein kleines Muster, der Hinweis auf die zu wählende Blickrichtung ermöglicht die spontane Erinnerung an vergangene Sommer, an vergangene Welten.
Auf diesen Seiten entsteht das Netzwerk meiner geistigen Erfahrungswelt. Sehr, sehr unvollständig, weder chronologisch noch im Kontext geordnet. Schwer nach zu vollziehen für andere Leser. Doch eine blühende Bergwiese wird von vielen Menschen geschätzt. Die wenigstens finden die Zeit, sich einen Nachmittag hinzusetzen und einfach den Anblick zu genießen.
Manche einzelne Blumen werden aber Eindruck machen und den weiteren Spazierweg mit angenehmen Gedanken erfüllen.

Es gibt hier keine Diskussionen. Vielleicht kommt es zu Ergänzungen, wenn bekannt wird, dass jemand anderer wiederholt an der Wiese vorbei kommt.

Der Hass des Künstlers

...
Und darum schleudere ich meinen Fluch auf die Kunst! Sie ist der Erbfeind meines Lebens. Sie hat sich über mich gesetzt und mich beraubt, zerstört, in zwei Hälften gespalten. Sie ist der Unmensch in mir. Sie ist das Unmenschliche im Leben. Menschlich ist die Lüge, aber meine Kunst will Wahrheit und immer wieder die Wahrheit. Und die Wahrheit ist oft häßlich und trostlos. Menschlich ist der Glaube, aber meine kunst bringt den Zweifel. Menschlich ist die Blindheit, aber meine Kunst steht über mir als die Kraft des Sehens und gestaltens, die furchbar ist. Ich habe nicht gewußt, daß die Gabe des Sehens etwas so Furchbares ist.
...
...
Meinen Haß aber behalte ich. Wer sonst wohl sollte die Kunst so tief hassen können, hassen müssen wie wir Künstler? Ihr Halbkünstler doch nicht? Ihr Liebhaber und Zufallskünstler? Ihr dürft sie lieben, denn ihr hab ja niemals an ihr gelitten. Aber darum gehört sie auch nicht zu euch. Denn nur die Dinge, an denen wir am tiefsten leiden - nur die gehören zu uns!



Ebenfalls Egon Fridell. Aus Der Haß des Künstlers.
Natürlich muss man den gesamten Text lesen oder zumindest mehr über den Autor wissen, um diese Stellen richtig einschätzen zu können. Aber vielleicht gibt es drei, vier Worte, die auch in dieser verkürzten Form an etwas Verborgenes rühren, einen Grübelprozess in Gang setzen. Zu leicht ist es, die Aussagen nicht wahr haben zu wollen.
Und wie groß ist doch der Unterschied zu John Keats "Beauty is truth, truth beauty. - that is all, Ye know on earth, and all ye need to know."

Güte und Intelligenz

...
In der Tat besteht ein bestimmtes Wechselverhältnis zwischen Güte und Intelligenz. Dies zeigt sich schon im Tierreich. Die intelligentesten Tiere - Elefanten und Hunde - sind auch die gutmütigsten, und die Bosheit des Affen ist mehr sprichwörtlich als wahr, denn sie ist nichts andres als Spieltrieb und Humor, eine Eigenschaft, die stets Güte voraussetzt. Und was die Menschen betrifft, so gibt es sicher eine bestimmte Stufe der Intelligenz, auf der es schlechthin nicht mehr möglich ist, anders als gut zu sein. Dabei darf man freilich nicht an Sentimentalität denken. Sentimentalität und Güte sind Gegensätze. Da hat niemand deutlicher bewiesen als Nietzsche.
Ebenso wie Intelligenz und Güte sind auch Dummheit und Bösartigkeit bis zu einem gewissen Grade korrespondierende Erscheinungen. Die sprichwörtliche Doppeleigenschaft "dumm und gutmütig" ist in der Empirie selten. Ausgesprochen dumme Menschen sind niemals wirklich gutmütig. Wie wäre das auch möglich? Sie sehen viel zu wenig Beziehungen, als daß sie liebevoll und gütig sein könnten. Sie sind zu blind und beschränkt, um das Recht im Unrecht zu erkennen und daher andern Menschen Geltung einzuräumen. Auch sind sie viel zu sehr damit beschäftigt, ihre eigene Dummheit möglichst ungefährdet durchs Leben zu lotsen, als daß sie die Zeit fänden, sich um andre zu bekümmern.

Auszug aus dem Essay Der Dichter von Egon Friedell, einem 1878 in Wien geborenen Theaterkritiker, Schauspieler, Dramaturg, Conférencier, Aphoristiker, Feuilletonist, Herausgeber, Übesetzer, Schriftsteller und Kulturhistoriker.
Als im Jahr 1938 zwei SA-Männer an seiner Wohnungstür klingelten, sprang der 60-jährige Friedell vom dritten Stock aus dem Fenster.

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Zuletzt aktualisiert: 13. Jun, 21:24

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