Güte und Intelligenz
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In der Tat besteht ein bestimmtes Wechselverhältnis zwischen Güte und Intelligenz. Dies zeigt sich schon im Tierreich. Die intelligentesten Tiere - Elefanten und Hunde - sind auch die gutmütigsten, und die Bosheit des Affen ist mehr sprichwörtlich als wahr, denn sie ist nichts andres als Spieltrieb und Humor, eine Eigenschaft, die stets Güte voraussetzt. Und was die Menschen betrifft, so gibt es sicher eine bestimmte Stufe der Intelligenz, auf der es schlechthin nicht mehr möglich ist, anders als gut zu sein. Dabei darf man freilich nicht an Sentimentalität denken. Sentimentalität und Güte sind Gegensätze. Da hat niemand deutlicher bewiesen als Nietzsche.
Ebenso wie Intelligenz und Güte sind auch Dummheit und Bösartigkeit bis zu einem gewissen Grade korrespondierende Erscheinungen. Die sprichwörtliche Doppeleigenschaft "dumm und gutmütig" ist in der Empirie selten. Ausgesprochen dumme Menschen sind niemals wirklich gutmütig. Wie wäre das auch möglich? Sie sehen viel zu wenig Beziehungen, als daß sie liebevoll und gütig sein könnten. Sie sind zu blind und beschränkt, um das Recht im Unrecht zu erkennen und daher andern Menschen Geltung einzuräumen. Auch sind sie viel zu sehr damit beschäftigt, ihre eigene Dummheit möglichst ungefährdet durchs Leben zu lotsen, als daß sie die Zeit fänden, sich um andre zu bekümmern.
Auszug aus dem Essay Der Dichter von Egon Friedell, einem 1878 in Wien geborenen Theaterkritiker, Schauspieler, Dramaturg, Conférencier, Aphoristiker, Feuilletonist, Herausgeber, Übesetzer, Schriftsteller und Kulturhistoriker.
Als im Jahr 1938 zwei SA-Männer an seiner Wohnungstür klingelten, sprang der 60-jährige Friedell vom dritten Stock aus dem Fenster.
In der Tat besteht ein bestimmtes Wechselverhältnis zwischen Güte und Intelligenz. Dies zeigt sich schon im Tierreich. Die intelligentesten Tiere - Elefanten und Hunde - sind auch die gutmütigsten, und die Bosheit des Affen ist mehr sprichwörtlich als wahr, denn sie ist nichts andres als Spieltrieb und Humor, eine Eigenschaft, die stets Güte voraussetzt. Und was die Menschen betrifft, so gibt es sicher eine bestimmte Stufe der Intelligenz, auf der es schlechthin nicht mehr möglich ist, anders als gut zu sein. Dabei darf man freilich nicht an Sentimentalität denken. Sentimentalität und Güte sind Gegensätze. Da hat niemand deutlicher bewiesen als Nietzsche.
Ebenso wie Intelligenz und Güte sind auch Dummheit und Bösartigkeit bis zu einem gewissen Grade korrespondierende Erscheinungen. Die sprichwörtliche Doppeleigenschaft "dumm und gutmütig" ist in der Empirie selten. Ausgesprochen dumme Menschen sind niemals wirklich gutmütig. Wie wäre das auch möglich? Sie sehen viel zu wenig Beziehungen, als daß sie liebevoll und gütig sein könnten. Sie sind zu blind und beschränkt, um das Recht im Unrecht zu erkennen und daher andern Menschen Geltung einzuräumen. Auch sind sie viel zu sehr damit beschäftigt, ihre eigene Dummheit möglichst ungefährdet durchs Leben zu lotsen, als daß sie die Zeit fänden, sich um andre zu bekümmern.
Auszug aus dem Essay Der Dichter von Egon Friedell, einem 1878 in Wien geborenen Theaterkritiker, Schauspieler, Dramaturg, Conférencier, Aphoristiker, Feuilletonist, Herausgeber, Übesetzer, Schriftsteller und Kulturhistoriker.
Als im Jahr 1938 zwei SA-Männer an seiner Wohnungstür klingelten, sprang der 60-jährige Friedell vom dritten Stock aus dem Fenster.
melzers - 28. Dez, 01:06
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